Chronik
des
GV "Liederkranz 1919 e.V." Lampenhain
Blick auf Lampenhain (Postkarte aus dem Jahr 1920)
Der Anfang
Es ist 05.15 Uhr am 11.11.1918, als in einem Waldstück der Gemeinde Compiègne im Norden Frankreichs in einem Eisenbahn-Salonwagen der Waffenstillstand unterzeichnet wird. Um 11.00 Uhr geben Trompetensignale an den Fronten das Ende der Kampfhandlungen bekannt. Der 1. Weltkrieg findet damit sein Ende, auch wenn es noch bis zum Juni 1919 dauern soll, bis in Versailles der offizielle Friedensvertrag unterschrieben werden wird.
Es gibt landein, landaus wohl keine Familie, die nicht unmittelbar oder mittelbar von den Auswirkungen dieses verheerenden Krieges betroffen ist. Viele Väter, Söhne, Enkel, Großväter sind nicht mehr "aus dem Feld" zurückgekommen oder sind, wenn sie dieses Inferno überlebt haben, durch Verwundungen an Leib und Seele gekennzeichnet. Die psychischen Narben werden unter Verschluss gehalten; darüber wird nicht gesprochen.
Die Menschen versuchen nun, nach all den Jahren voller Entbehrungen, Sorgen und Ängste ihren Alltag zu finden und ihr Leben einzurichten. Es muss irgendwie weitergehen. Vielleicht mag sich das auch der Mann gedacht haben, der zu jener Zeit als Lehrer der Volksschule Lampenhain vorsteht. August Bentzinger heißt dieser Hauptlehrer, der Ende 1918 damit beginnt, die Möglichkeit der Gründung eines Männergesangvereins auszuloten.
Zielstrebig geht er diese Sache an. In Zeiten ohne Strom (das Stromnetz wird in Lampenhain erst in den folgenden Jahren verlegt), Telefon, E-Mail und Facebook-Freunde bleibt ihm nur eines: die persönliche Ansprache in Form von Hausbesuchen in Lampenhain und seinem Ortsteil Bärsbach. Die Autorität, die dem Lehrerberuf innewohnt und die selbst auf die nicht im Lehramt stehende Ehefrau ausstrahlt (Guten Morgen, Frau Lehrer!), bewahrt ihn davor, dass ihm nicht gleich die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. Und wenn Bentzinger dann erst mal im Haus ist, hat der Auserwählte keine Fluchtmöglichkeit mehr. Bentzinger verfolgt sein Ziel beharrlich; entsprechende Stimmproben werden natürlich auch gleich vor Ort genommen.
Am Ende sind die Bemühungen des Hauptlehrers erfolgreich. Bentzingers Beharrlichkeit paart sich mit Begeisterungsfähigkeit der Auserwählten. Es findet sich eine beachtliche Zahl von Sangesfreunden. Sie sind anfänglich eine Gruppe von zwanzig Männern. Sie haben die seinerzeit gängigen Namen wie Peter, Georg, Adam, Nikolaus, Karl. Der Peter ist sogar gleich fünfmal vertreten. Die erste inoffizielle gemeinsame Singprobe findet Ende November im Schulhaus in Lampenhain statt. "Wie ein stolzer Adler schwingt sich auf das Lied" heißt das erste eingeübte Lied, ein Marsch aus der gerade untergegangenen Kaiserzeit. Nach drei inoffiziellen Singstunden beschließt man, Nägel mit Köpfen zu machen.
Und so versammelt man sich am 01.03.1919 in der Wirtschaft "Zum Deutschen Kaiser" in Bärsbach, gründet den "Männergesangverein Lampenhain-Bärsbach" und wählt einstimmig die Vorstandschaft (1. Vorstand: Adam Reisig; 2. Vorstand: Georg Brand; Schriftführer und Kassier: Karl Ehwald). "Hebamme" Bentzinger ist am Ziel seiner Wünsche. Da er schon als Seminarist vor dem 1. Weltkrieg den Gesangverein "Germania Feudenheim" als Dirigent betreut hat und somit in diesem Bereich nicht unerfahren ist, übernimmt er selbstverständlich das Amt des Dirigenten. Er spielt damit die erste Geige, und das nicht nur im übertragenen Sinn, denn Bentzinger spielt tatsächlich Geige, die er fortan während der Singstunden zur musikalischen Untermalung einsetzt. Und natürlich bleibt es Hauptlehrer Bentzinger vorbehalten, das Protokollbuch des Vereins mit folgendem Vorwort zu eröffnen:
Der lange, schwere Völkerkrieg war im Spätjahr 1918 durch die Revolution beendet worden. Eine neue Regierung war in unserem Lande eingesetzt, aber die Ruhe, Sicherheit und Ordnung, wie sie sein sollte, war noch nicht da. Dennoch beschlossen im Frühjahr 1919 hier einige Leute sich zusammenzuschließen, um einen Gesangverein zu gründen. Der Versuch war gewagt. Denn wer die Gesinnung der Leute vor dem Krieg kannte, bezweifelte den Erfolg des Beginnens. Bestand doch früher einmal zu Großvaters Zeiten ein Verein, der aber bald verkrachte. Doch "frisch gewagt ist halb gewonnen". So war es auch hier. Eine Umfrage durch den Unterzeichneten ließ ersehen, daß fast alles dabei war. Die Stimmprobe zeigte auch überraschenderweise, daß Material zum Singen vorhanden war und so wurde nach drei Singproben die Gründung eines Gesangvereins beschlossen. Es waren 20 Leute, die sich am 1. März 1919 - das ist der Gründungstag - im Gasthaus in Bärsbach versammelten und zugleich den Vorstand einstimmig wählten.
…
Möge er nun wachsen, blühen und gedeihen zum Segen der Gemeinde. Das wünscht sein derzeitiger Dirigent
A. Bentzinger
1. Peter Ehwald 10. Hauptlehrer August Bentzinger
2. Georg Brand 11. Georg Rehberger
3. Peter Bretschi 12. Karl Heiß
4. Adam Herwig 13. Nikolaus Jungmann
5. Nikolaus Jungmann 14. Peter Fath
6. Theobald Reinhard 15. Nikolaus Ewald
7. Adam Reisig 16. Georg Ewald
8. Peter Rehberger 17. Peter Brand
9. Adam Jungmann 18. Michael Sauer
Die Singstunden finden samstags in einem gewissen Turnus im Schulhaus von Lampenhain und in der Wirtschaft Fath in Bärsbach statt, da ein Teil der Sänger in Bärsbach wohnt. Bei der Hochzeit des Schriftführers Karl Ehwald tritt der Verein zum ersten Mal öffentlich auf. Unterhaltung und Geselligkeit sind bereits im Gründungsjahr ein wichtiger Baustein des Vereinslebens. Der Verein veranstaltet ein Waldfest mit Preisschießen, Preiskegeln und Gabenverlosungen. Mit einer Weihnachtsfeier, umrahmt von Christbaumverlosung, lustigen Theateraufführungen und Gesangsvorträgen, schließt der Verein das erste Jahr seiner Geschichte. Er hat zu diesem Zeitpunkt bereits 27 aktive und drei passive Mitglieder. Auch finanziell hat sich der Verein gut gehalten: Bei Gesamteinnahmen von 1.280 Mark und Ausgaben von 390 Mark erzielt man einen Reingewinn in Höhe von 890 Mark, von dem man 700 Mark gleich zur Sparkasse nach Schönau bringt.
Die 1920er Jahre
Angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs im ersten Jahr legt Dirigent Bentzinger dem Verein dar, dass auch seinem Idealismus gewisse Grenzen gesetzt sind. Der Vorstand beschließt daher, Bentzinger jährlich 250 Mark für die Gesangsproben und 5 Mark pro Leichensingen zu zahlen. Sein einjähriges Bestehen feiert der Verein am 29.02.1920 mit einem Kappenabend in der Wirtschaft Fath in Bärsbach. Am 11.07.1920 veranstaltet der Verein ein Sommerfest mit befreundeten Vereinen. Preisschießen, Preiskegeln, Verlosungen und ein Ball bilden das zu jener Zeit populäre Rahmenprogramm.
Hauptlehrer Bentzinger wird im September 1920 an die Schule nach Gondelsheim versetzt. Sein Nachfolger im Amt des Hauptlehrers und des Dirigenten wird ab Oktober Wilhelm Köhler, mit dem man gleich eine Vergütung in Höhe von 6 Mark pro Gesangsprobe vereinbart. Der Verein hat personell erneut zugelegt und führt am Ende des Jahres 1920 32 aktive und 4 passive Mitglieder.
In der Generalversammlung am 15.01.1921 werden bei der Neuwahl des Vorstands die bisherigen Amtsinhaber Adam Reisig, Georg Brand und Karl Ehwald bestätigt. Die Mitgliedsbeiträge werden erhöht: Der Monatsbeitrag für aktive Mitglieder beträgt nun 50 Pfennig und für passive Mitglieder 1 Mark.
Der Dirigent erhält ebenfalls eine Vergütungsaufstockung: 8 Mark pro Gesangsprobe, 20 Mark bei Festlichkeiten und 10 Mark pro Leichensingen.
Da mit dem ehemaligen Dirigenten Bentzinger auch dessen Geige den Verein verlassen hat, muss ein neues Übungsinstrument beschafft werden. Dies gelingt in Form eines alten Tafelklaviers, das man in Schriesheim erwirbt. Dieses Instrument zeichnet sich aber durch eine gewisse Standfestigkeit und damit Inflexibilität aus mit der Folge, dass der turnusgemäße Wechsel der Gesangsproben in Bärsbach und in Lampenhain nicht länger machbar ist. Man entschließt sich, die Singstunden nun ständig in Lampenhain abzuhalten. Die in Bärsbach beheimateten Sänger zeigen sich davon allerdings verständlicherweise nicht begeistert und kommen nur noch sehr unregelmäßig zu den Gesangsproben. Am 29.05.1921 kommt es dann zum Eklat: Der Verein folgt nicht einer Einladung zu einer Veranstaltung des Radfahrervereins Hilsenhain-Bärsbach, sondern zieht es vor, bei einer Festlichkeit der Eintracht Heddesheim teilzunehmen. Das ist der kleine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Die Sängergemeinschaft zwischen Lampenhain und Bärsbach zerbricht. Am 01.06.1921 ändert der Verein daraufhin seinen Namen in "Liederkranz" Lampenhain und meldet dies beim zuständigen Bezirksamt an.
Auch 1921 veranstaltet der Verein wieder ein geselliges Waldfest; der Festplatz ist im Bretschi-Wald und auf der Ehwald-Wiese. Es wird geschossen, gekegelt, verlost und getanzt; am Ende bleibt ein Reingewinn von 1.500 Mark, wobei sich bei der Höhe des Betrages bereits die sich anbahnende große Inflation niederschlägt. Zum 31.12.1921 hat der Verein aufgrund des Verlustes der Sänger aus Bärsbach nur noch 20 aktive und 5 passive Mitglieder.
Im Jahr 1922 muss man sich leider eingestehen, dass der anfängliche Enthusiasmus nun doch etwas gelitten hat. Die Disziplin, insbesondere pünktliches und vollzähliges Erscheinen bei den Singstunden, lässt zu wünschen übrig, was sich dann auch auf die Sangesleistungen bei so manchem öffentlichen Auftritt auswirkt. Nachdem gutes Zureden des Vorstands nichts hilft, wird es dann richtig förmlich, und die Mitgliederversammlung trifft im Januar 1923 einige Maßnahmen mit disziplinarischem Charakter.
So wird ein Sänger bei verspätetem Erscheinen von mehr als einer halben Stunde künftig als "gefehlt" verzeichnet. Ferner wird das Rauchen während der Singstunden verboten und Zuwiderhandlungen werden mit 50 Mark geahndet.
Die Hyperinflation des Jahres 1923 und die damit verbundene Geldentwertung verschont auch den Verein nicht. Er verliert sein ganzes Vereinsvermögen. Der Dirigent wird zeitweise mit Naturalien vergütet, im Übrigen mit einer Goldmark pro Gesangsstunde.
In der Mitgliederversammlung an Silvester 1923 kommt es zu einem Wechsel an der Spitze des Vereins. Der 1. Vorstand Adam Reisig tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück. Adam Reinhard I. wird als sein Nachfolger gewählt. Er wird dieses Amt - was zu diesem Zeitpunkt noch keiner ahnt - 40 Jahre lang bekleiden.
Das Jahr 1924 ist kein sehr zufriedenstellendes Jahr. Die disziplinarischen Maßnahmen zur Unpünktlichkeit fruchten nicht, sondern sind eher ein Rohrkrepierer. Die unpünktlichen Sänger kommen nun gar nicht mehr, wenn sie spät dran sind, weil sie eh als gefehlt gelten. Von daher gibt es sogar wegen des schlechten Singstundenbesuchs ab und zu eine Zwangspause. Dies bessert sich erst wieder, als Hauptlehrer Willy Schell im November die musikalische Leitung übernimmt. Sein Vorgänger Köhler ist versetzt worden. Höhepunkt des durchwachsenen Jahres ist die alljährliche Weihnachtsfeier, bei der bis nach Mitternacht gesungen wird und Theaterstücke aufgeführt werden.
Nachdem Dirigent Schell seinen Unmut über den Zustand des vorhandenen Klaviers kundgetan hat, kauft der Verein im Mai 1926 in Eberbach für 425 Reichsmark ein neues Klavier. Dieser Entscheidung geht ein wochenlanges Hin und Her voraus, denn eigentlich wollte man mit dem Geld eine Fahne für den Verein kaufen. Sehr lange kann sich Willy Schell an dem neuen Übungsinstrument aber nicht erfreuen, denn das schulamtliche Rotationsprinzip schlägt erneut zu. Willy Schell muss sein Dirigentenamt im Januar 1928 wegen seiner Versetzung aufgeben.
Anlässlich seines Abschieds richtet Willy Schell folgendes Grußwort an den Verein:
"Hoch deutsches Lied in Ewigkeit" heißt es in unserem Sängerspruch. Dieses möchte ich dem Gesangverein nochmals zum Abschied zurufen. Die Pflege des deutschen Liedes ist die Hauptaufgabe des Gesangvereins, und nichts anderes. Aber nur da kann dieses richtig durchgeführt werden, wo Einigkeit herrscht. Nur Einigkeit macht stark, auch im Gesang. Ein solcher Verein ist dann auch leicht zu leiten und zu Erfolgen zu führen. Ich wünsche dem Verein, daß er dieses vollständig erreicht und weiterhin in dieser Hinsicht gute Fortschritte macht.
Auf Wiedersehen beim Stiftungsfest
Lampenhain, den 29. Januar 1928
Willy Schell
Lehrer Willy Kraft wird neuer Dirigent, doch die schulamtliche Rotation erreicht inzwischen fast Schallgeschwindigkeit. Kraft muss den Dirigentenstab wegen seiner Versetzung bereits nach einem Monat wieder aus der Hand legen. Doch erstaunlicherweise gelingt es dem Verein, in ebenbürtiger Schallgeschwindigkeit erneut gleich wieder adäquaten Ersatz für den rotierten Lehrer zu finden. Schon am 02.02.1929 werden die Gesangstunden unter der Leitung des neuen Dirigenten Nikolaus Sauer aus Hilsenhain wieder regelmäßig aufgenommen.
Im September 1929 beschließt die Mitgliederversammlung, eine Vereinsfahne anzuschaffen und im kommenden Jahr die Fahnenweihe abzuhalten. Bereits im Oktober wird die Vereinsfahne bei der Thüringer Fahnenfabrik in Coburg zum Preis von 640 Mark gekauft. Dieser Betrag ist für den Verein kein Pappenstiel (das Vereinsvermögen beträgt Ende 1928 nur 537 Mark) und kann von dem Verein nur aufgrund der Spendenfreudigkeit der Einwohner gestemmt werden.
Die 1930er Jahre
Das neue Jahrzehnt bringt dem Verein gleich zu Beginn das erste Großereignis seiner Geschichte, die auf Mitte Mai 1930 anberaumte Fahnenweihe. Gleich Anfang des Jahres beginnt man mit den organisatorischen Vorbereitungen.
Die Mitgliederversammlung vom 25.01.1930 wählt Peter Sahm I. zum Fähnrich sowie Karl Heiß II. und Hans Schmitt zu seinen Begleitern. Elise Ehwald wird zur Festdame ernannt; ihre Begleiterinnen sind Marie Herbig und Mina Bernauer. Die Anzugsordnung wird ebenfalls geregelt: Gehrock und weiße Krawatte. Die Eintrittspreise werden festgelegt (zwischen 0,50 - 1,50 Mark) sowie gleich mal 1.000 Eintrittskarten und 500 Tanzkontroller bestellt. Als Festredner wird der ehemalige Dirigent Willy Schnell bestimmt.
Und dann ist es soweit: Der 17.05.1930 ist ein schöner Maitag. Das Dörfchen hat sich geschmückt, wie es noch niemand hier erlebt hat. Fast an jedem Haus weht eine Flagge. Die Wiesen von Bürgermeister Heiß und Peter Bretschi bilden den Festplatz. Die von Zimmermeister Beckenbach gemietete mächtige Bühne ist elektrisch beleuchtet, ideal für die Darbietungen von Gesangvereinen, Turnvereinen und Musikkapelle. Hauptattraktion des ersten Festtages ist der Fackelzug durch das Dorf.
Am nächsten Festtag, dem Sonntag, lacht die Sonne vom Himmel, als um 6.00 Uhr der Weckruf im Dorf erklingt, denn pünktlich um 8.00 Uhr ist der gemeinsame Kirchgang nach Heiligkreuzsteinach geplant, wo man gut zu Fuß eine halbe Stunde später eintrifft. In der Kirche wird die prächtige Fahne nach der Weiherede des Pfarrers von dem Fähnrich und der Festdame feierlich enthüllt. Anschließend marschiert die Kolonne bei schönstem Wetter wieder talaufwärts nach Lampenhain. Am Nachmittag sehen die Festbesucher einen prächtigen Festzug mit elf Vereinen durch das Dorf ziehen. Danach werden auf dem Festplatz die Feierlichkeiten zur Fahnenweihe durchgeführt. Festredner Schnell ist voll in seinem Element und schließt seine Rede mit dem Wahlspruch: "Hoch deutscher Wein, hoch deutsche Maid, hoch deutsches Lied in Ewigkeit". Er hätte bei dem Hochleben wohl besser auch den lieben Petrus einbezogen, denn dieser ist wohl etwas beleidigt und schickt Lampenhain am späten Nachmittag einen zweistündigen furchtbaren Gewitterregen, der den Festplatz räumt und die Wirtschaft füllt.
Beim Festball abends sind die Kleider aber wieder trocken. In Anbetracht des überfüllten Saales und der damit verbundenen eingeschränkten Beweglichkeit können auch die Tanzmuffel und die Konditionsschwachen gut mithalten.
Am Montagnachmittag lässt man die Festlichkeiten mit einem Konzert und Belustigungen ausklingen, bis ein erneuter Gewitterregen die Besucher wieder in die Wirtschaft treibt. Am Ende der Festtage steht die lange Erinnerung an ein vollauf gelungenes Fest.
Das Jahr 1932 bringt abermals einen Wechsel in der musikalischen Leitung. Dieses Mal fällt der Verein aber nicht dem Rotationsprinzip der Schulbehörden zum Opfer. Vielmehr sind die Sänger mit dem Dirigenten nicht mehr zufrieden, vielleicht auch deshalb, weil er mit ihnen nicht mehr zufrieden ist. Als der Dirigent den Fastnachtsball des Vereins unverrichteter Dinge einfach verlässt, ist die Trennung nicht mehr zu vermeiden. Doch glücklicherweise hat die Lampenhainer Schule immer einen Lehrer, und so findet der Verein in Hauptlehrer Vogt den Nachfolger, der ab April 1932 den Dirigentenstab schwingt.
Aufgrund der Wirtschaftskrise ist es dem Verein nicht möglich gewesen, sich im Jahr 1932 an Sangesfesten anderer Vereine zu beteiligen. Schriftführer Georg Rehberger schließt seinen Jahresbericht mit den Worten: "Hoffentlich werden wir im nächsten Jahr einer besseren Zeit entgegensehen". Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen; im Gegenteil, es wurde schlimmer, ja verheerend.
Das Pech mit den dirigierenden Hauptlehrern bleibt dem Verein treu. Hauptlehrer Vogt steht ab dem 01.07.1933 nicht mehr zur Verfügung. Die dadurch entstehende gesangliche Zwangspause endet am 14.10.1933, als Hauptlehrer Sigmund aus Heiligkreuzsteinach als musikalischer Leiter einspringt.
Die tiefgreifenden politischen Veränderungen des Jahres 1933 wirken auch auf das Vereinsleben ein. Unmittelbar nach der Machtübernahme beginnen die Nationalsozialisten alle staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen im Wege der Gleichschaltung an ihre politisch-ideologischen Ziele anzupassen. Am 19.11.1933 wird auch der Verein gleichgeschaltet. Das bedeutet, dass die gesamte Vorstandschaft für aufgelöst erklärt wird. Der bisherige 1. Vorstand wird nun als Vereinsführer bezeichnet und nach wie vor von der Mitgliederversammlung gewählt. Die weiteren Vorstandsmitglieder werden nicht mehr gewählt, sondern von dem Vereinsführer ernannt. Der Verein muss sich diesen neuen formalen Anforderungen fügen.
Letztlich bleibt bei den "Neuwahlen" die Besetzung der gesamten Vorstandschaft unverändert.
Im Jahre 1936 stellt sich abermals die Dirigentenfrage. Man ist mit der Arbeit des Hauptlehrers Sigmund nicht mehr zufrieden und trennt sich von ihm. Fast schon routinemäßig macht man sich auf die Suche nach einem neuen Chorleiter. Doch jetzt ändert der Verein die Auswahlstrategie und versucht es mal mit einem Dirigenten, der nicht zugleich Lehrerpflichten nachzugehen hat. Fündig wird man in Altenbach. Ein junger Mann namens Emil Jungmann leitet am 12.11.1936 die erste Singstunde als neuer Dirigent. Die Sänger sind begeistert von dem neuem Geist und der unermüdlichen Schaffensfreude, die Jungmann mitbringt. Es scheint, als ob der Verein nun endlich beim richtigen Mann angekommen ist.
Die beiden folgenden Jahre sind von normaler, ruhiger Routinearbeit geprägt; kleinere Feste, Auftritte bei befreundeten Vereinen, Ständchen, Beerdigungssingen, Weihnachtsfeiern. Höhepunkt in dieser Zeit ist die erstmalige Teilnahme des Vereins an einem Wertungssingen in Heidelberg am 13.11.1938. Ganz freiwillig ist diese Teilnahme aber nicht, denn neue Bestimmungen des deutschen Sängerbunds verlangen, dass jeder Verein mindestens alle drei Jahre an einem Wertungssingen teilnehmen muss. Der Verein singt zwei Lieder von Friedrich Silcher ("O wie herbe ist das Scheiden" und "Untreue"), die beide mit "gut" bewertet werden.
Die 1940er Jahre
Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs werden 13 von 22 Sängern zur Wehrmacht einberufen und die Gesangsproben werden daraufhin im März 1940 für unbestimmte Zeit eingestellt. Diese "unbestimmte" Zeit sollte mehrere Jahre dauern, in denen die verbrecherische Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten beispielloses Leid und Elend über die Welt bringt. Am 24.07.1948 treffen sich einige alte Sänger im Gasthaus Heiß und ziehen Bilanz: Einige Sänger sind inzwischen aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Drei Sänger sind im Krieg gefallen, zwei Sänger werden noch in Russland vermisst. Man gedenkt der Anfangsjahre des Vereins und insbesondere des Initiators und ehemaligen Dirigenten August Bentzinger, der bereits am 11.01.1927 verstorben ist. Man beschließt, sein Werk fortzusetzen und den Verein wiederzubeleben.
Schon eine Woche später steht Emil Jungmann am Dirigentenpult und leitet die erste Singstunde der Nachkriegszeit.
Die Wiederbelebung der Gesangstätigkeit kommt zum rechten Zeitpunkt, denn das 30-jährige Vereinsjubiläum steht vor der Tür. Dieses Ereignis wird am 31.07.1949 mit einem Festumzug unter Beteiligung von acht Gast-vereinen und einem Festball gebührend gefeiert.
Ende 1949 hat der Verein 30 aktive und 6 passive Mitglieder.
Die 1950er Jahre
Das Vereinsleben in den Wiederaufbaujahren verläuft weitgehend harmonisch und ruhig. Vor allem die Beständigkeit in der Person des Chorleiters wirkt sich spürbar positiv aus. Die Aktivitäten des Vereins nehmen zu: Gastauftritte bei Festen von befreundeten Vereinen sind an der Tagesordnung und die eigenen gesellschaftlichen Aktivitäten kommen auch nicht zu kurz. Auch nimmt der Verein nun vermehrt an Preis-, Kritik und Wertungssingen teil; des sanften Drucks von Verbandsbestimmungen bedarf es hierzu nicht mehr. Die Arbeit von Emil Jungmann zeigt schon bei der zweiten Teilnahme an einem Sangeswettbewerb erste Früchte: Am 25.05.1952 in Altneudorf belegt der Verein den 1. Platz unter fünf Vereinen.
In der Mitgliederversammlung vom 06.02.1954 werden aufgrund ihrer langjährigen Verdienste um den Verein der 1. Vorstand Adam Reinhard zum Ehrenvorsitzenden und der Schriftführer Georg Rehberger zum Ehrenschriftführer ernannt.
Sein 40-jähriges Bestehen feiert der Verein am 28.06.1959 mit einem Freundschaftssingen, einem Gartenfest und einem Festball im Vereinslokal Heiß. Die Rahmenbedingungen sind wieder einmal mehr als ungünstig, denn es regnet in Strömen. Man will das Fest schon abblasen, doch dann treffen trotz der widrigen Bedingungen nach und nach die Gäste und Sänger aus Nah und Fern ein und füllen den Gemeindesportplatz, der als Festplatz dient, so dass alles programmgemäß über die Bühne geht. Die Belohnung für all die Arbeit gibt es dann im September 1959 in Form eines Ausflugs zur Wilhelma in Stuttgart.
Sänger- und Brunnenfeste
Die 1960er Jahre
Das an seinem Ende so wilde Jahrzehnt beginnt in Lampenhain beschaulich. Bill Haley und Elvis Presley haben keine Chance, Gehör zu finden. Schon Peter Kraus, der deutsche Rock 'n' Roller, ist vielen suspekt. Lolita, Gerhard Wendland und Freddy dominieren die heimatlichen Schallplattenspieler in den Küchen, die zu jener Zeit das eigentliche Wohnzimmer bilden.
Der Lampenhainer Jugend ist es (noch) nicht vergönnt, halbstark mit Mofas oder Mopeds durch das Dorf zu rasen, zumal in einem solchen Fall gewohnheitsrechtlich jeder Erwachsene im Ort die Funktion des Erziehungsberechtigten ausüben kann. Die Jugend muss noch seemännischen Klängen und Rufen nach Heimkehr von zur See gefahrenen Jungen aus den sommers weit geöffneten Küchenfenstern lauschen, und das im binnenländischen Odenwald. Aber das sollte sich im Laufe der Jahre ändern.
Die Mitgliederversammlung vom 16.01.1964 ist alles andere als Routine. Ein Pionier des Vereins tritt an diesem Tage ab. Adam Reinhard, der den Verein seit dem 01.01.1924 als 1. Vorstand geführt hat, stellt sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Wahl. 40 Jahre hat er das Vereinsschiff gesteuert, vielen Stürmen getrotzt, zahlreiche Wellen geglättet und so manchen Mastbruch geflickt. Er hinterlässt dem neuen 1. Vorstand Hans Rehberger einen in sich gewachsenen und gesunden Verein.
Ein weiterer personeller Umbruch ist in der Mitgliederversammlung vom 11.01.1968 zu verzeichnen. Georg Rehberger stellt nach 38-jähriger Tätigkeit sein Amt als Schriftführer zur Verfügung. Willi Heiß wird zu seinem Nachfolger gewählt. Nachdem auch Hans Rehberger auf eine erneute Kandidatur verzichtet, wird Wilfried Elfner neuer 1. Vorstand des Vereins.
Unter Leitung der neuen, stark verjüngten Vorstandschaft nähert sich der Verein dem bis dahin größten Ereignis der Vereinsgeschichte, dem 50-jährigen Vereinsjubiläum, das mit einem mehrtägigen Fest gefeiert werden soll. Rechtzeitig vor diesem Fest haben sich die versorgungstechnischen und strukturellen Rahmenbedingungen in Lampenhain erheblich verbessert.
Schon seit Anfang der 1960er Jahre verkehrt zweimal am Tag ein Postbus zwischen Heiligkreuzsteinach und Heidelberg (über Lampenhain, Wilhelmsfeld und Ziegelhausen) in beiden Richtungen. 1965 wird eine zentrale Wasserversorgung geschaffen; vorher bestanden nur Privatleitungen und Schöpfbrunnen. Im gleichen Jahr wird die Müllabfuhr durch einen Unternehmer eingerichtet. Eine Kanalisation ist aber nach wie vor nicht vorhanden; diese wird erst Ende der 1970er Jahre gebaut. Bis dahin behilft man sich mit privaten Klärgruben.
1967 wird das neugebaute Rathaus mit Feuerwehrgerätehaus in der Ortsmitte von dem nebenamtlichen Bürgermeister, dem Ratsschreiber, dem Rechner und dem Amtsgehilfen, der zugleich die Dienste des Wegwarts versieht, bezogen. Der Neubau ersetzt das seit 1930 in einem einstigen Kleinbauernhaus eingerichtete Rathaus und bietet nunmehr auch dem sechsköpfigen Gemeinderat ausreichend Platz für ausladende Sitzungen.
Auch für die schulpflichtigen Kinder wird in diesen Jahren alles anders. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es in Lampenhain eine eigene reformierte Volksschule. 1967 müssen die Hauptschüler ab der 5. Klasse in die Schule nach Schönau gehen. Die ersten vier Klassen bleiben noch bis Mitte 1969 in Lampenhain; danach müssen auch sie auswärts lernen, nämlich in der Grundschule von Heiligkreuzsteinach. Zurückgeblieben und heute noch zu sehen ist nur die Inschrift "Volksschule" über der Eingangstür des Gebäudes. Die Volksschule Lampenhain ist von Anfang an bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1969 eine sogenannte Einlehrerschule gewesen, in der alle Klassen in einem Raum in allen Fächern von einem Lehrer unterrichtet worden sind, durchaus auch mal mit Rohrstock, Backpfeifen und Ohrenziehen gemäß dem damals geltenden pädagogischen Züchtigungsrecht, das erst 1972 bundesweit abgeschafft werden sollte.
Vom 11.-13.07.1969 feiert der Verein sein 50-jähriges Vereinsjubiläum auf der Festwiese am heutigen Dellenweg. Tagelang sind die Dorfbewohner im Einsatz, um - begleitet von den schon gewohnten Regengüssen - den Festplatz herzurichten und das Festzelt mit einem Fassungsvermögen von 2000 Besuchern in Eigenarbeit aufzubauen. Diese Festzeltgröße ist auch dringend erforderlich, denn es weht ein Hauch von Starappeal durch das Dorf. Die Verantwortlichen haben nämlich einen echten Coup gelandet und einen der beliebtesten Vertreter der Volksmusik für ein Konzert beim Bunten Abend verpflichtet: Ernst Mosch und seine Egerländer Musikanten.
Diese Nachricht schlägt nah und fern wie eine Bombe ein und löst einen regelrechten Sturm auf die Eintrittskarten aus (eine Karte kostet 4,- DM im Vorverkauf). Schon lange vor Konzertbeginn ist das Zelt mit ca. 2400 Besuchern so überfüllt, dass noch Stühle und Bänke organisiert werden müssen. Das Konzert ist ein voller Erfolg und macht aus dem Ort, wohin man sich eigentlich nur verirren kann, das Klein-Woodstock des Odenwalds. Der Vormittag des Festsonntags ist geprägt durch das Punktwertungssingen, an dem 13 Vereine teilnehmen.
Am Nachmittag zieht der farbenprächtige Festzug durch das festlich geschmückte Dorf, angeführt von einer Pferdekutsche mit der Ehrendame Doris Heiß und den Festdamen Ingrid Ehwald und Inge Weigold.
Die Bilder jener Tage bleiben für alle, die dabei gewesen sind, unvergesslich. Viele Lampenhainer haben sie für immer in ihrem Langzeitgedächtnis analog abgespeichert.
50-jähriges Vereinsjubiläum (1969)
Die 1970er Jahre
34 Jahre ist er alt gewesen, als er die Chorleitung übernommen hat, und genauso viele Jahre hat er diese Funktion dann ausgeübt. Im Alter von 68 Jahren zieht sich Emil Jungmann, das Musterbeispiel für Treue und Pflichterfüllung, zurück und übergibt den Dirigentenstab an den jungen, dynamischen Nachfolger Alfons Burkhardt, einen Vollblutmusiker, der die Musik nicht nur liebt, sondern mit dem ganzen Körper lebt. Emil Jungmann wird wegen seiner herausragenden Verdienste am 18.02.1972 anlässlich seines 70. Geburtstags zum Ehrenchorleiter des Vereins ernannt.
Nun ändern sich die Zeiten merklich, aber nicht nur im Verein. In Lampenhain sind inzwischen die Wellen der 68er-Bewegung mit einer gewissen Verspätung angekommen. Die Haare der männlichen Jugend wachsen lang und länger, die Kleidung wird bunter, jeansiger und ausgefallener, und die Interessen der Jugend gehen auch schon mal über den Dorfrand hinaus. Doch trotz dieser äußerlichen Abnabelung von dem Lebensstil der Erwachsenen hat sich die Jugend in Lampenhain das Bewusstsein für Tradition noch bewahrt. Fast jeder Jugendliche im Dorf tritt in dieser Zeit früher oder später als aktiver Sänger in den Verein ein und erträgt geduldig ironische Bemerkungen zu Haarschnitt und Kleidung.
Alfons Burkhardt leitet am 20.04.1971 seine erste Singstunde. Schon da wird deutlich: Es weht ein neuer und anderer Wind. Burkhardt ist ehrgeizig und leistungsorientiert. Er fordert viel und möchte aus jedem Sänger die bestmögliche Leistung herauskitzeln. Adrenalinschübe bei manchem Sänger sind keine Seltenheit; Sänger mit niedrigem Blutdruck gesunden während der Singstunde. Zahlreiche neue moderne und temporeiche Lieder werden einstudiert. Da verlieren trotz Kukident auch schon mal die Dritten eines älteren Sängers ihre Haftung. Ein kurzes Nickerchen in der letzten Reihe ist kaum mehr möglich, und wer es trotzdem wagt, muss sich darüber klar sein, dass Burkhardt ihn sehr schnell aus Morpheus' Träumen reißen wird. Aber: Burkhardt fördert auch und weckt nach und nach den Ehrgeiz der Sänger, vor allem den der jugendlichen Sänger, die gerade zu dieser Zeit zahlreich in den Verein eintreten. Getreu dem Leistungsprinzip stellt sich der Verein in den folgenden Jahren vermehrt der Konkurrenz bei Punktwertungs- und Prädikatssingen.
Die Erfolge bleiben nicht aus. So kann der Verein 1973 in Mörlenbach beim Punktwertungssingen den 1. Preis und den Dirigentenpreis gewinnen. Bei verschiedenen Prädikatssingen werden sehr gute Wertungen erzielt.
Mitte der 1970er Jahre sind in Lampenhain und beim Verein bedeutende Änderungen zu verzeichnen.
Lampenhain war ehemals Teil der Großgemeinde Heiligkreuzsteinach und bildete schon im 18. Jahrhundert zusammen mit Bärsbach, Vorderheubach, Schafhof und Höhenöd die so genannte Obergemeinde (später kamen noch Hilsenhain und Hinterheubach hinzu). Mehrmals drängte die Obergemeinde auf Selbstständigkeit. 1840 hatte der entsprechende Antrag Erfolg. Die Trennung wurde genehmigt und vollzogen. Die Obergemeinde mit ihrer "Hauptstadt" Lampenhain wurde selbstständig. Doch: die "Mutter" ließ ihre "Kindlein" nie aus den Augen und nutzte die umfangreiche Gebiets- und Gemeindereform der 1970er Jahre, um die Obergemeinde wieder zurück ins Elternhaus zu holen. Am 01.01.1975 verliert die Obergemeinde ihre Selbstständigkeit wieder und wird in Heiligkreuzsteinach eingegliedert.
Die Mitgliederversammlung des Vereins erlässt eine neue Satzung und fasst am 29.06.1974 die notwendigen Beschlüsse, um die Rechtsfähigkeit zu erlangen. Am 25.11.1974 wird der Männergesangverein "Liederkranz" Lampenhain im Vereinsregister des Amtsgerichts Heidelberg eingetragen.
Am 01.07.1975 beendet Alfons Burkhardt seine Dirigententätigkeit, nachdem er das Angebot zur Übernahme eines anderen Vereins erhalten hat. Bei der Suche nach dem Nachfolger wird der Verein in Altneudorf fündig und verpflichtet den jungen, aufstrebenden Ernst Kratzert als neuen Chorleiter. Kratzert versteht es hervorragend, die verschiedenen Sängergenerationen unter einen Hut zu bringen und ein interessantes, ausgeglichenes Programm zu präsentieren. Er ist fortschrittlich, ideenreich und erfolgsorientiert und begeistert damit die jüngere Disco-Generation; gleichzeitig ist er geduldig und traditionsbewusst und respektiert die Unsicherheit der Schlager-Generation beim Umgang mit diesen modernen Zeiten. Diesen Spagat macht er so geschickt, dass alle Sänger schon bald Kratzerts Philosophie akzeptiert haben. Damit sind weitere Schritte auf der gesanglichen Erfolgsleiter des Vereins nur noch eine Frage der Zeit.
In den Jahren 1977 bis 1982 holt der Verein jeweils mindestens einen 1. Platz bei Punktwertungssingen, eine bis dahin nicht erreichte Erfolgsserie. Traditionsgemäß wird jeder 1. Platz in Form eines Autokorsos mit Gesang und Hupen durch Lampenhain gefeiert und viele Einwohner lassen es sich nicht nehmen, den Korso anzuhalten und den Pokal mit "Benzin" für die erfolgreichen Sänger zu füllen. Der freundliche Spender erntet dafür natürlich ein gesangliches Dankeschön. Da Sängerwettbewerbe in Regel sonntags stattfinden und dementsprechend Heimkehr und Siegesfeier am Sonntagabend erfolgen, obliegt dem Bürgermeister von Heiligkreuzsteinach eines Tages die unangenehme Pflicht, dem Verein solche lärmintensiven Siegesfeiern zu verbieten. Ein sogenannter "Zugezogener", der zwar in Lampenhain wohnen, aber ansonsten nichts mit Lampenhain zu tun haben will, hat sich wegen der Lärmbelästigung beschwert. Von nun an hat einer an einem oder zwei Sonntagen im Jahr mehr Ruhe und viele andere haben eine liebgewonnene Tradition weniger. Die Ruhe ist dem "Zugezogenen" aber auch nicht bekommen, so dass er irgendwann wieder weggezogen ist.
Am 18.08.1979 nimmt der Verein Abschied von seinem Ehrenchorleiter Emil Jungmann, der an diesem Tag in Altenbach beerdigt wird.
Das Jahrzehnt endet mit dem 60-jährigen Vereinsjubiläum, das am 03./04.11.1979 mit einem Freundschaftssingen und einem Liederabend in der Steinachtalhalle in Heiligkreuzsteinach gefeiert wird.
Die 1980er Jahre
Christoph Wiechmann wird am 06.01.1982 zum 1. Vorstand gewählt, nachdem der bisherige Amtsinhaber Wilfried Elfner auf eine erneute Kandidatur verzichtet hat.
Die Verpflichtungen des Vereins nehmen nun ständig zu. Es häufen sich Auftritte bei Geburtstagen, Hochzeiten und sonstigen Ehren- oder Feiertagen. Auch an Liederabenden, Preissingen und Freundschaftssingen nimmt der Verein vermehrt teil. Mitte der 1980er Jahre überschreitet der Verein aufgrund zahlreicher Eintritte von jugendlichen Sängern die Schallmauer von 40 aktiven Sängern.
Im Februar 1987 absolviert Thomas Reisig erfolgreich einen Dirigentenlehrgang und wird Vizedirigent des Vereins.
Wenige Monate später gründet er einen Jugendchor und übernimmt die musikalische Leitung.
Aber auch die Frauen in Lampenhain wollen nun endlich ihre gesanglichen Künste offiziell unter Beweis stellen. Sie gründen einen Frauenchor; die Chorleitung übernimmt Thomas Reisig.
Das abwechslungsreiche, arbeitsintensive Jahrzehnt endet am 23.09.1989 mit einem Liederabend, mit dem der Verein in der Steinachtalhalle Heiligkreuzsteinach sein 70-jähriges Bestehen feiert.
Die 1990er Jahre
Die erste Mitgliederversammlung der 1990er Jahre hat historischen Charakter. Am 09.11.1989 war die Mauer an der deutsch-deutschen Grenze gefallen; faktisch war Deutschland wiedervereinigt. Es wächst zusammen, was zusammengehört. Vielleicht sind es diese Worte von Willy Brandt gewesen, die den Verein veranlassen, auch in Lampenhain gewisse Grenzen zu öffnen. 70 Jahre führte der Verein in seinem Namen den Bestandteil "Männer". Die Vereinsstatuten von 1919 regelten sogar ausdrücklich, dass nur ein Mann aktives oder passives Mitglied werden kann. Allerdings: Der Mann musste unbescholten, also frei von öffentlichem Tadel, sein. Da Verweigerungen der Aufnahme oder Ausschlüsse wegen Bescholtenheit nicht dokumentiert sind, müssen wohl alle Männer in Lampenhain, jedenfalls die Vereinsmitglieder, stets wahre Musterknaben gewesen sein.
Am 06.01.1990 beschließt die Mitgliederversammlung alle notwendigen Satzungsänderungen, um den kurz zuvor gegründeten Frauenchor rechtlich in den Verein zu integrieren. Der neue Vereinsname lautet nun GV "Liederkranz 1919 e.V." Lampenhain. Auch in der Vorstandschaft erfolgen an der Spitze strukturelle Anpassungen. Der 1. und 2. Vorstand entfallen; an ihre Stelle treten die Funktionen "Gesamtvorsitzender" (Christoph Wiechmann), "Vorsitzender des Männerchors" (Thomas Schmidt) und "Vorsitzende des Frauenchors" (Marlene Richter).
Es ist die Hochphase des Vereins. Zum Jahresende 1991 singen insgesamt 69 Sängerinnen und Sänger im Männerchor, Frauenchor und Jugendchor.
Doch bereits wenig später gibt es eine Veränderung: Der Jugendchor löst sich im Juni 1992 auf.
Am 06.01.1992 tritt Thomas Schmidt, der Vorsitzende des Männerchors, aus beruflichen Gründen nicht mehr zur Wahl an. Als sein Nachfolger wird Reiner Noe gewählt.
Das Jahr 1994 ist wieder von einem großen Fest geprägt. Der Verein feiert seinen 75. Geburtstag. Auftakt der Feierlichkeiten ist ein Jubiläumskonzert am 13.03.1994 in der evangelischen Kirche in Heiligkreuzsteinach. Der Männerchor und der Frauenchor tragen Lieder vor. Eine Sopranistin und ein Orgelspieler umrahmen das Konzert.
Am Donnerstag, den 26.05.1994 startet das auf vier Tage ausgelegte Fest auf dem Sportplatz am Ortseingang. Bei der Abholung der Ehrendamen Tanja Weber und Martina Gerstner sowie der Festdamen Claudia Koger, Andrea Ewald, Marika Beckenbach, Angela Wiechmann, Sabine Rehberger und Claudia Richter regnet es - wieder mal, wenn Lampenhain feiert.
Beim Festbankett gibt es jede Menge Ehrungen, umrahmt von Auftritten von 15 Vereinen der Dirigenten Ernst Kratzert und Thomas Reisig. Beim Freundschaftssingen am Freitag treten 26 Vereine auf.
Am Samstag nehmen acht Vereine am Prädikatssingen und sieben Vereine am Freundschaftssingen teil. Der Sonntag ist geprägt durch das Punktwertungssingen, bei dem 31 Vereine antreten. Das Fest klingt am Montag im vollbesetzten Festzelt mit einem Bunten Abend unter dem Motto "Lampehemer Owend", der von den benachbarten Ortsvereinen gestaltet wird, aus.
75-jähriges Vereinsjubiläum (1994)
Am 20.05.1995 veranstaltet der Verein anlässlich des 20-jährigen Dirigentenjubiläums von Ernst Kratzert ein Jubiläumskonzert in der Steinachtalhalle in Heiligkreuzsteinach. Ein russischer Kammerchor aus St. Petersburg, der dazu eingeladen worden ist, bringt viele Lieder zum Vortrag und das Publikum zu Beifallsstürmen.
Am 15.11.1997 stellt sich der Verein einem Chorwettbewerb des Badischen Sängerbundes im Konzerthaus Karlsruhe und singt einen Pflichtchor sowie zwei selbstgewählte Chöre, die von fünf Wertungsrichtern bewertet werden. Der Verein erhält die erstrebte Auszeichnung und darf nun sechs Jahre lang den Titel "Konzertchor" führen.
Der Frauenchor feiert am 25.09.1999 mit einem Liederabend sein 10-jähriges Bestehen in der voll besetzten Steinachtalhalle in Heiligkreuzsteinach.
Die 2000er Jahre
Gleich zu Beginn der 2000er Jahre stehen größere Veränderungen in der Führungsspitze des Vereins an. Christoph Wiechmann, der den Verein 18 Jahre mit seiner ruhigen, besonnenen Art als 1. Vorstand bzw. Gesamtvorsitzender geführt hat, tritt in der Mitgliederversammlung am 09.01.2000 ab. Er wird zum Ehrenmitglied ernannt. Reiner Noe, der bisherige Vorsitzende des Männerchors, wird neuer Gesamtvorsitzender; Hanspeter Rehberger folgt Reiner Noe in der Funktion des Vorsitzenden des Männerchors. Auch Marlene Richter tritt bei der Wahl der Vorsitzenden des Frauenchors nicht mehr an; Claudia Müller wird als ihre Nachfolgerin gewählt.
Im Jahr 2000 feiert Ernst Kratzert sein 25-jähriges Chorleiterjubiläum. Der Verein veranstaltet für ihn in der Steinachtalhalle Heiligkreuzsteinach ein Jubiläumskonzert. Liedvorträge der von Ernst Kratzert geleiteten Vereine und Ehrungen durch den Deutschen Sängerbund und den Verein umrahmen die Feier.
Das Jahr 2002 bringt wieder eine Premiere in der Vereinsgeschichte. Beim Volksliederwertungssingen in Bürstadt tritt der Verein zum ersten Male als gemischter Chor auf und belegt unter vier Vereinen in der Klasse G2 gleich den 1. Platz.
Der Anfang ist damit mehr als gelungen und findet einen Monat später am 23.06.2002 in Birkenau sogar seine Fortsetzung. Erneut singt sich der gemischte Chor unter drei Vereinen in seiner Klasse auf den 1. Platz.
Zehn Jahre nach seiner Auflösung wird der Jugendchor wiederbelebt. Johanna Bretschi übernimmt die musikalische Leitung des Chores, der in der Folgezeit den Namen Junger Chor "LA Kuimba" erhalten wird.
Anlässlich des 85-jährigen Vereinsjubiläums veranstaltet der Verein am 24.07.2004 einen Ehrungsabend, an dem verdiente Sänger und Mitglieder für ihre langjährigen Verdienste geehrt werden. Auch zum 30-jährigen Dirigentenjubiläum seines Dirigenten Ernst Kratzert lässt es sich der Verein nicht nehmen, am 15.07.2005 ein Jubiläumskonzert in der Steinachtalhalle in Heiligkreuzsteinach auszurichten.
Im Mai 2009 feiert der Verein sein 90-jähriges Vereinsjubiläum und das 20-jährige Bestehen des Frauenchors auf der Festwiese in Heiligkreuzsteinach. Die Feierlichkeiten werden am Freitag, den 15.05.2009, mit einem Festbankett unter Mitwirkung der Trachtenkapelle Heiligkreuzsteinach und Vereinen der Chorgemeinschaft Ernst Kratzert eröffnet. Festpräsident ist Bürgermeister Karl Brand; Festdamen sind Vanessa Dalmolin, Kim Daub, Lisa Heiß und Eva Lützelschwab. Die Ehrenmitglieder Peter Bretschi, Fritz Ehwald, Hermann Reisig und Hans Fitzer werden für 60-jährige Vereinsmitgliedschaft ausgezeichnet. Am darauffolgenden Samstag findet das Freundschaftssingen statt, an dem 24 Vereine teilnehmen. Am letzten Festtag steht das Volksliederwertungssingen auf dem Programm. Wegen der erfreulich großen Anzahl an Meldungen muss der Wettbewerb an zwei Orten stattfinden. Im Festzelt treten 33 Vereine an und in der Steinachtalhalle stellen sich 23 Vereine dem Wertungsrichter. Die Tages-bestleistung erzielt der MGV Sängerbund 1875 e.V. Unter-Schönmattenwag.
90-jähriges Vereinsjubiläum
2009
Die folgenden Jahre sind von reger Sangestätigkeit und hoher Kontinuität geprägt. Erst im Jahre 2016 gibt es wieder eine einschneidende Veränderung. Eine Ära geht zu Ende; eine große Persönlichkeit tritt ab. Am 18.07.2016 hält Chorleiter Ernst Kratzert seine letzte Singstunde. 41 Jahre lang hat er den Lampenhainer Sängerinnen und Sängern den richtigen Weg auf der Tonleiter gezeigt. Er übertrifft damit den bisherigen Rekordhalter Emil Jungmann nochmals um sieben Jahre. In den durchwachsenen und schlechten Zeiten des Vereins, die es in diesen 40 Jahren immer wieder mal gegeben hat, ist er stets ein Fels in der Brandung gewesen, der es mit seinem Engagement und seiner ausgleichenden Art sowie dem angemessenen Einsatz von "Zuckerbrot und Peitsche", verstanden hat, den Kessel am Dampfen zu halten.
Doch auch bei der Besetzung seiner Nachfolge beschreitet der Verein neue Wege. Getreu dem Motto "Neue Frauen braucht das Land" übernimmt zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte eine Frau die musikalische Leitung des Gesangvereins. Edith Schmitt kommt die Ehre zuteil, diesen Meilenstein in der Vereinsgeschichte gesetzt zu haben. Und natürlich ändert sich mit diesem Umbruch auch wieder sehr viel für die Sängerinnen und Sänger. Neue Übungsmethoden prägen nun die Singstunde.
Am 12.01.2018 beschließt die Mitgliederversammlung eine Neufassung der Satzung und der Geschäftsordnung und gibt sich eine Beitragsordnung. Auch die Struktur der Vorstandschaft wird geändert. Die Trennung zwischen Funktionen im Männer- und Frauenchor wird aufgehoben, nachdem der Verein seit vielen Jahren nur noch als gemischter Chor aufgetreten ist. Die Neuwahl der Vorstandschaft bringt folgendes Ergebnis: 1. Vorsitzender wird der bisherige Gesamtvorsitzende Reiner Noe; Hanspeter Rehberger, bisher Vorsitzender des Männerchors, wird 2. Vorsitzender. Kassenführer bleibt - wie in den letzten 35 Jahren - Harald Wonde. Auch beim Schriftführer gibt es in der Person von Hans-Jürgen Schmitt keine Veränderung. Alica Müller wird neue Jugendwartin.
Mit dieser Führungsmannschaft nähert sich der Verein nun einem weiteren Meilenstein seiner Vereinsgeschichte, seinem 100-jährigen Jubiläum.